5G für die Produktion: Was ist dabei zu beachten?

Von Johannes Weicksel

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5G-Mobilfunk gilt als die zukunftsträchtige Möglichkeit, Maschinen und Geräte in einer Fabrik effizient zu vernetzen. Doch mit dem Einrichten der Infrastruktur in einer Fertigungshalle ist es nicht getan. Worauf es ankommt, lesen Sie hier.

5G-Campusnetzwerke bieten in der Produktion einige Vorteile. Doch beim Aufbau ist einiges zu bedenken.
5G-Campusnetzwerke bieten in der Produktion einige Vorteile. Doch beim Aufbau ist einiges zu bedenken.
(Bild: ©fotogestoeber - stock.adobe.com)
  • Mit 5G können viel mehr Daten schneller übertragen werden als bei gängigen Funkverbindungen.
  • An einer permanenten Prüfung der Netzwerkinfrastruktur führt kein Weg vorbei.
  • Führen Sie 5G in einem Bereich ein, der nicht betriebskritisch ist.

Während in der Öffentlichkeit noch über Gesundheitsgefahren oder drohende Spionageangriffe aus Fernost spekuliert wird, schaffen Industrie und Mobilfunkprovider Tatsachen. Mehrere Akteure treiben weltweit den Ausbau von 5G-Infrastrukturen in vielen Bereichen voran. Die Technik gilt als wichtiger Motor der Digitalisierung. Diese Entwicklung reicht tief in Struktur und Organisation der industriellen Prozessführung hinein. 69 % der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer, so ergab eine im Herbst 2019 veröffentlichte Umfrage des VDMA, wollen ihre Produkte künftig mit 5G-Schnittstellen ausrüsten. 35 % planen den Aufbau eigener 5G-Campusnetzwerke. Und den Worten folgen Taten: Führende deutsche Industrieunternehmen haben bereits mit dem Aufbau privater 5G-Netze begonnen oder Lizenzen für lokale Netze beantragt.

Tatsächlich verspricht der neue Standard einen technologischen Quantensprung, können mit 5G doch viel mehr Daten übertragen werden als bei gängigen Funkverbindungen. Abhängig von der Implementierung kann 5G zudem sehr niedrige Latenzzeiten sicherstellen – ähnlich dem Leistungspotenzial von Glasfaserkabeln. Solche kurzen Latenzen sind vor allem in Fertigungsbereichen von Interesse, in denen zuverlässige Echtzeit-Reaktionen zahlreicher drahtloser Endgeräte sichergestellt sein müssen – etwa im Zuge der Mensch-Roboter-Interaktion, bei der Anzeige von Werkerführungen auf Notebooks und Tablets, beim Einsatz rückmeldender Vorprodukte oder bei der Anwendung von Datenbrillen.

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Die wichtigsten Begriffe

5G:

5G bezeichnet die fünfte Generation von Mobilfunknetzen. Damit sollen Reaktionszeiten bis 1 ms und Datenraten bis 10.000 Megabit/s möglich werden. Gleichzeitig wird eine höhere Zuverlässigkeit (Resilienz) versprochen. Deswegen sind viele Akteure überzeugt, dass 5G eine geeignete Grundlage für Industrie 4.0 ist.

Für 5G sind unterschiedliche Profile definiert, die sich in Schlüsselparametern unterscheiden und auf bestimmte Einsatzzwecke ausgerichtet sind:

  • eMBB (Enhanced Mobile Broadband) für hochauflösende Videos sowie datenintensive VR/AR-Anwendungen.
  • mMTC (Massive Machine Type Communications) für IoT-Anwendungen.
  • uRLLC-Profil (Ultra Reliable and Low Latency Communications) für Maschinensteuerung oder autonomes Fahren.

Campusnetzwerk:

Ein Funknetz, dass auf einen definierten Bereich, wie eine Fabrikhalle oder einen Unternehmensgelände begrenzt ist, bezeichnet man als Campusnetzwerk. Es ist ein privates Netz des Unternehmens.

Latenz:

Die Latenz ist eine Zeiteinheit. Sie gibt den Zeitraum an, den ein kleines Datenpaket benötigt, um von einem Gerät zu einem Server und wieder zurück zu gelangen. Eine kurze Latenz bedeutet also eine schnelle Übertragung und eine kurze Reaktionszeit. Die Maßeinheit ist zumeist Millisekunden (ms).

Quality of Service (QoS):

Die Quality of Service gibt an, wie stark die Qualität des Netzdienstes mit den Anforderungen des Anwenders übereinstimmt. Dabei geht es um das Zusammenspiel von mehreren Objekten beziehungsweise Geräten.

5G beim Nachrüsten

Auch die Digitalisierung analoger Maschinenparks steht und fällt oft mit einer stabilen Funkanbindung: Wo lange Investitionszyklen keinen zeitnahen Maschinenaustausch zulassen, müssen Sensoren oder Aktuatoren nachgerüstet werden, die nur niedrige Latenzen tolerieren, aber nicht mehr nachträglich per Verkabelung angebunden werden können. 5G-Netze mit kurzer Latenz stellen hier eine effektive Lösung dar. Das gleiche gilt dort, wo mit extrem kurzer Latenz auf betriebseigene Datenbestände zugegriffen werden muss. Mittel- bis langfristig werden dann nicht zuletzt auch Zukunftstechnologien wie das autonome Fahren profitieren: Zwar sind hierfür grundsätzlich keine 5G-Verbindungen nötig, höhere Datenraten und kurze Latenzen verbessern aber auch dort Komfort und Sicherheit aller Abläufe enorm.

Anforderungen an die Stabilität

Aus der Perspektive eines Netzwerkbetreibers sind mit der 5G-Technik jedoch nicht nur neue Chancen, sondern auch neue Herausforderungen verbunden. Denn der mögliche Leistungssprung von 5G wird in allererster Linie über eine ausgeklügelte Kombination verschiedener Netzwerktechniken erreicht. Das erhöht die Komplexität der Netzwerke nachhaltig und stellt hohe Anforderungen an die Funktionalitätssicherung. Zwar wird das Netzwerkmanagement zum Teil einfacher, da viele Komponenten nur noch softwarebasiert sind und auf standardisierter Hardware laufen. Dafür steigt jedoch die Zahl der logischen Ebenen, die sowohl für sich einwandfrei funktionieren als auch untereinander nahtlos harmonieren müssen, um einen reibungslosen Netzbetrieb zu gewährleisten.

Die Definition der 5G-Funkschnittstelle NR (New Radio) sieht vor, ausgehend vom zunächst erschlossenen Sub-6-GHz-Band Frequenzen bis hin zu rund 100 GHz zu nutzen. Über kurze Distanzen werden diese Frequenzen im Millimeter-Wellenlängenbereich (mmWave) sehr hohe Übertragungsraten ermöglichen. Aufgrund der kürzeren Reichweite und höheren Hindernisempfindlichkeit des mmWave-Spektrums werden hochverdichtete Mehrantenneninfrastrukturen (Massive MIMO) aufgebaut und die Funksignale über Algorithmen zu nutzerorientiert ausgerichteten Strahlen fokussiert, die physische Hindernisse leichter umgehen können (Beamforming).

Da auch die beste Funktechnik wenig nutzt, wenn das Basisnetz zu schwach dimensioniert ist, müssen die Front-, Mid- und Backhaul-Infrastrukturen ebenfalls so ausgelegt werden, dass sie die erforderlichen Übertragungsraten sicherstellen können. Das bedeutet den flächendeckenden Aufbau von Glasfasernetzen, deren Leistungsfähigkeit im Wesentlichen den Netzwerken moderner Hochleistungsrechenzentren entspricht.

Die drei 5G-Typen

Neben diesen allgemeinen Grundlagen sind beim Aufbau von 5G-Campusnetzwerken die drei definierten Anwendungsprofile zu berücksichtigen.

  • In der ersten Phase der 5G-Nutzung stand das eMBB-Profil (Enhanced Mobile Broadband) im Vordergrund, das etwa das parallele Streaming einer Vielzahl hochauflösender Videos sowie datenintensive Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen unterstützt.
  • Der mMTC-Typus (Massive Machine Type Communications) ist das 5G-Profil für IoT-Anwendungen, mit dem sich unter anderem Sensoren ohne externe Stromversorgung vernetzen lassen.
  • Für Maschinensteuerung oder autonomes Fahren wird hingegen das uRLLC-Profil (Ultra Reliable and Low Latency Communications) benötigt, das die kürzesten Latenzzeiten sowie die höchste Ausfallsicherheit garantiert.

Das Ausrollen dieser Profile auf das Campusnetzwerk wird über ein flexibles Network-Slicing realisiert, das allen Anwendern auf dem Campus über ein und dieselbe Infrastruktur die jeweils benötigten Quality-of-Service-Parameter zuteilt.

Permanente Prüfungen unverzichtbar

Die Vielzahl der kompositorischer Elemente zeigt, dass die Funktionalitätssicherung von 5G-Campusnetzwerken allerhöchsten Anforderungen genügen muss. Denn bereitet nur ein einziger der skizzierten Teilbereiche Probleme, ist auch die Funktionalität der 5G-basierten Anwendungen nicht mehr vollständig gewährleistet und der Nutzer riskiert speziell im uRLLC-Bereich gefährliche Störungen des Maschinen- oder Fahrzeugzugriffs. Außerdem ist der erhöhte Datenverkehr sowie der Zugriff auf viele Maschinen und Komponenten für Hacker attraktiv.

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Für den Anwender bedeutet das in letzter Konsequenz, dass an einer permanenten Prüfung der Netzwerkinfrastruktur kein Weg mehr vorbeiführt. 5G-Netzwerke müssen sowohl in der Laborphase ihrer Entwicklung und experimentellen Erprobung als auch über den gesamten Zyklus ihrer industriepraktischen Nutzung hinweg kontinuierlichen Messungen unterzogen werden.

Ohne engmaschige Netzwerküberwachung ist 5G nicht denkbar.

Die Umsetzung dieser Prüfprozesse ist indessen alles andere als trivial. Nicht nur, dass alle Teilbereiche (vom Basisnetz über mmWave, Massive MIMO und Beamforming bis schließlich zum Network-Slicing) eigene Prüfsequenzen und bedarfsoptimierte Prüfsysteme erfordern: Auch rein praktisch ist die Durchführung solcher Tests oft mit Schwierigkeiten verbunden.

Die hohen Anforderungen an zeitliche Synchronität der unterschiedlichen Basisstationen oder auch die für 5G neu entwickelten Algorithmen zur Baseband Exploration überfordern beispielsweise herkömmliche 4G Spectrum Analyzer. Um unter solchen Voraussetzungen verwertbare Prüfergebnisse zu erzielen, sind ausgefeilte Test-Settings auf Basis hochentwickelten Messequipments nötig.

5G-Netzwerk von Anfang an planen

Für Unternehmen, die eigene 5G-Campusnetze betreiben wollen, empfiehlt sich, in Anbetracht solcher Herausforderungen, die Zusammenarbeit mit einem Netzwerkspezialisten, der wie Viavi Solutions über langjährige Erfahrung in der Prüfung komplexer Kabel- und Funknetze verfügt und hochleistungsfähige Komplettlösungen für die Netzwerkmessung anbieten kann.

Das gilt unabhängig davon, ob ein Unternehmen sein Campusnetz komplett in Eigenregie oder gemeinsam mit einem Technologiepartner aufbaut. Denn selbst dann, wenn Partner mit im Boot sind, muss der Campusnetzbetreiber die Deutungshoheit über die Einhaltung von Dienstgütevereinbarungen (SLA) beanspruchen und die Funktionalität aller Gewerke überprüfen können. Zudem verfügen Spezialisten für Messtechnik gewöhnlich über umfangreiche und belastbare Kontakte zu Herstellern, Lieferanten und Installateuren aus dem Netzwerktechnikumfeld, was die konzertierte und qualitativ hochwertige Umsetzung komplexer Projekte erleichtert.

Die drei Schritte zum 5G-Netzwerk

Im Schulterschluss mit einem solchen Spezialisten können 5G-Netzwerke systematisch geplant, unter Laborbedingungen erprobt und schließlich von engmaschigen Tests begleitet im Feld ausgerollt und in Betrieb genommen werden. Dabei ist nach aller Erfahrung die Gliederung in drei Bereitstellungsphasen sinnvoll, die sich in der Praxis zum Teil überlappen.

Phase 1 – Systematische Validierung und Verifizierung der vorgesehenen Techniken: Hier wird unter anderem mit Hilfe skalierbarer 5G-Testsysteme mit integrierten Datendiensten die Gesamtleistung des Netzwerks ermittelt und in 5G-Felderprobungen das tatsächliche Nutzerverhalten simuliert.

Phase 2 – Inbetriebnahme unter ständiger Begleitung durch zuverlässige Mess- und Prüftechnik: Mit leistungsfähigen Spektrum-/Signal­analysatoren werden die 5G Signalqualität und das verwendete Spektrum auf mögliche Interferenzen überprüft. Auch werden Softwarelösungen für die Überwachung und Sicherung der Netzwerkleistung benötigt.

Phase 3 – Laufender Betrieb mit kontinuierlicher Überwachung und Sicherung aller Bereiche des Netzwerks und der Verifizierung der Einhaltung von Dienstgütevereinbarungen. Hier wird durch ausgefeilte Monitoringlösungen maximale Transparenz hergestellt und so auch regelmäßig der Spielraum für funktions- und kostenoptimierende Netzwerkanpassungen ausgelotet.

Wie der Einstieg in 5G im Einzelnen aussieht, hängt letztendlich von den Begleitumständen der jeweiligen Einführung ab. Im Regelfall wird die neue Technik zunächst an einzelnen Prozessabschnitten erprobt und dann sukzessive auch auf andere Bereiche ausgedehnt. Den Anfang sollten dabei eher Bereiche machen, die nicht betriebskritisch sind, um nicht schon zu Beginn mit maximalen Herausforderungen konfrontiert zu werden.

Doch wie auch immer sich der Anwender entscheidet: An der Seite eines Spezialisten, der die klassischen Fragen kennt und konzeptionell wie technisch zuverlässige Antworten weiß, kann man der 5G-Revolution beruhigt entgegenblicken.

* Johannes Weicksel ist Business Development Manager bei Viavi Solutions Deutschland in 72800 Eningen u.A.

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